Argumente für rauchfreie Stunden. Teil IV

Das Gebot der gegenseitigen Rücksichnahme ist die momentane Lösung des Problems

Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ist der Lösungsansatz für rauchgeplagte Nichtraucher und nicht, ob die Geruchsimmission ortsüblich ist oder nicht!

In der Kronen-Zeitung vom 19.11. 2023 hat Dr. Barbara Auzinger in der Kolumne „Ihr Recht“ einem an Asthma leidenden Nichtraucher erklärt, er könne gegen den notorischen Raucher, der seine 1. Zigarette bereits um 6:30 Uhr raucht, egal ob Sommer oder Winter, dann eine Unterlassungsklage einbringen, wenn dies nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benutzung der Wohnung wesentlich beeinträchtigt.

Eine katastrophale Aussage, die dazu führt, dass sich niemand getraut, eine Klage gegen uneinsichtige Raucher einzubringen. Wer will sich so einem Verfahren ausliefern? Die Aussage der Rechtsanwältin stammt aus den 80er-Jahren. Das OGH-Urteil vom 16.11.2016 (Aktenzeichen 2 Ob 1/16k) macht klar, dass das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme anzuwenden, also eine Zeitregelung zur Konfliktlösung anzuwenden ist.

Gegenseitig heißt, dass jeder Mensch auf andere Menschen und deren Bedürfnisse Rücksicht nehmen muss. (Siehe Urteil OGH Seite 3).

Es gibt zwar kein Gesetz, das automatisch den Nichtraucherschutz auch im Wohnbereich sicherstellt, aber es gibt den gesetzlichen Schutz vor wesentlicher Beeinträchtigung durch Rauch- und Geruchsimmissionen. Starkes Rauchen erfüllt sehr schnell den Tatbestand des § 364 Abs 2 ABGB. Der eigentliche Inhalt des nachbarrechtlichen Untersagungsanspruches nach § 364 Abs 2 ist, dass der Verpflichtete dafür zu sorgen hat, dass sein Nachbar nicht durch Immissionen beeinträchtigt wird.

Der Tabakrauch strömt thermischen Regeln folgend immer von unten nach oben und gelangt so auch auf den Balkon und ins Innere der Wohnung, wenn Fenster oder Balkontüre offen sind. Der Rauch kommt durch jede noch so kleine Ritze und wird wie ein Kamin ins Innere der Wohnung gezogen, sodass der Rauch auch noch im hintersten Zimmer riechbar ist.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat bereits am 1.10.2009 das Recht auf rauchfreie Luft ausgesprochen. (https://www.ris.bka.gv.at/VfghEntscheidung.wxe?Abfrage=Vfgh&Dokumentnummer=JFT_09908999_09B00776_00&IncludeSelf=True)

Manche Anwälte sehen das OGH-Urteil von Wien, wo es um einen Zigarrenraucher ging, nicht anwendbar bei Zigarettenrauch. (Siehe TEIL III). Die Geruchsbelästigung ist in beiden Fällen gegeben und die Gesundheitsschädigung beim Zigarettenrauch mit inzwischen über 5.300 verschiedenen chemischen, giftigen Verbindungen noch viel stärker.

Heute ist wissenschaftlich hinreichend belegt, dass Tabakrauch auch für Nichtraucher gesundheitsschädlich ist und dass es keine gesundheitlich unbedenkliche untere Schwelle gibt. Anders formuliert: „Kanzerogene können bereits in geringsten Mengen Krebs erzeugen. Für Tabakrauch kann deshalb kein Grenzwert festgelegt werden, unterhalb dessen keine Gefährdung für die Gesundheit anzunehmen ist.“

Rauchen tötet viele Menschen, die nicht rauchen. Das macht die WHO in ihrem Bericht „über die globale Tabak-Epidemie“ deutlich. Mindestens 69 Bestandteile von Tabakrauch sind demnach krebserregend. „Alle großen medizinischen und wissenschaftlichen Organisationen bestätigen, dass Passivrauch Nichtrauchern schadet und dass es keine sichere Menge an Passivrauch gibt.“ 10.9. 2023 PHARMA FAKTEN

Tabakrauch ist auch im Freien gesundheitsschädlich. Tabakrauch löst sich im Freien weder rasch auf, noch verdünnt er sich gravierend. Aufnahmen eines Kamerateams von PLAN-BILD zeigen das auf eindrucksvolle Weise. Im Scheinwerferlicht sind die Rauchschwaden vor dunklem Hintergrund auch noch in mehreren Metern deutlich zu erkennen (http:// www.youtube.com/watch?v=sYwcPiZDdYA)

„Die Gesetze der Physik und Chemie gelten auch für Tabakrauch“, erklärt Ernst-Günther Krause (gestorben 28.6. 2023) von der Nichtraucher-Initiative Deutschland e.V.:

„Die etwa 1.000 Grad Celsius heiße Glutzone an der Zigarette erwärmt die umgebende Luft. Diese dehnt sich aus und steigt zusammen mit dem Tabakrauch nach oben oder wird von Seitenwinden und Luftwirbeln in alle Himmelsrichtungen getragen (auch von oben nach unten).“

Krause verweist auf eine Gruppe von Wissenschaftlern, die in der japanischen Großstadt Kobe die Luftbelastung durch Tabakrauch im Freien gemessen hat. Noch im Abstand von 4, 11, 18 und 25 Metern zur Rauchquelle hätten sie Feinstaubkonzentrationen festgestellt, die um ein Vielfaches über den Werten für tabakrauchfreie Luft liegen.

Eine Erklärung dafür liefern Wissenschaftler der ETH Zürich. Sie ermittelten, dass 3.000 Kubikmeter Frischluft erforderlich sind, um den Tabakrauch einer Zigarette so zu verdünnen, dass er keine Reizungen mehr verursacht. „3.000 Kubikmeter sind ein quadratischer Raum mit 32 Metern Seitenlänge und 3 Metern Höhe“, verdeutlicht Krause.

Soll der Tabakrauch einer Zigarette nicht mehr wahrzunehmen sein, sind zur Verdünnung sogar 19.000 Kubikmeter Frischluft nötig.

Tabakrauch besteht aus einer Vielzahl fester und gasförmiger Partikel. Die festen Partikel können mit einem Feinstaubmessgerät erfasst werden – auch dann, wenn sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind, denn die meisten Partikel des Tabakrauchs messen nur ein bis zwei Millionstel Meter. In dieser Größe sind sie lungengängig und deshalb besonders gefährlich. „Alle diese Daten belegen, dass Tabakrauch auch im Freien selbst in größerer Entfernung von der Rauchquelle noch eine gesundheitsschädliche Konzentration aufweisen kann“, resümiert Krause. (NRZ 1/2016)

Wenn Tabakrauch zu riechen ist, befinden sich in der eingeatmeten Luft auch zahlreiche gesundheitsschädliche Substanzen. Dazu stellt der Bundesgerichtshof (BGH) in Bonn in seinem Urteil vom 16. Januar 2015 zum Rauchen auf dem Balkon fest: „Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. (…) Sie überschreiten stets die Grenze dessen, was der beeinträchtigte Mieter hinzunehmen hat.“

Es ist eine allgemeine Sensibilisierung gegen Tabakimmissionen feststellbar, was sich in Umfragen deutlich zeigt. Die Mehrheit der Bevölkerung stört der Zigarettenqualm, besonders der von rauchenden Nachbarn. Die Zeiten, wo man immer und überall geraucht hat, sind vorbei. Das absolute Rauchverbot in der Gastronomie ab 1.11.2019 ist ein Beispiel dafür, dass der Staat den Schutz der Nichtraucher ernst nimmt.

Das Gesundheitsministerium hat das Nichtrauchen zur Norm erklärt und das Rauchen zur Ausnahme.

Es kommt nicht auf die Menge der gerauchten Zigaretten an. BGH-Urteil vom 16.1.2015: „Deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen; das gilt auch dann, wenn sie nur eine Zigarettenlänge andauert.“

Tabakrauch ist für Nichtraucher eine starke Beeinträchtigung der Wohnqualität, wenn unten oder daneben jemand raucht. Das Gericht hat richtig festgestellt, dass das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme eine Konfliktlösung ermöglicht.

Ein Zeitmodell haben wir in der Nichtraucher-Zeitung 4/2020, 4/2022 und 4/2023 veröffentlicht. Möglich ist auch, die Raucherzeiten für die wärmere Jahreszeit ganzjährig anzuwenden, wie es kürzlich in Innsbruck beschlossen wurde. Erlaubt ist, worauf sich beide Parteien einigen können.

Wenn Ihnen ein Anwalt so einen Unsinn erzählt wie in der Kronen-Zeitung, dann wechseln Sie Ihren Anwalt. Passivrauch ist gesundheitsschädlich. Raucher müssen sich in ihrem Verhalten gegenüber Nichtrauchern ändern. Wenn Sie mehr Argumente benötigen, rufen Sie an!

Robert Rockenbauer
Bundesleiter der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher
nichtraucherschutz@aon.at
www.nichtraucherverein.at
Telefon 0664 9302 958