Rauchende Nachbarn sind eine wesentliche Störung. Teil III

Gerichtsentscheid des OGH vom 16.11.2016

Beim OGH-Urteil vom 16.11.2016 (2 Ob 1/16k) ging es um Zigarrenrauch, den sich ein Nichtraucher in der Wohnung darüber nicht mehr länger gefallen ließ und eine Klage einbrachte.

Spruch des OGH:

Die Streitteile wohnen in der Wiener Innenstadt im selben Wohngebäude. Der Kläger ist Mieter einer im 7. Stock gelegenen Wohnung, die Mietwohnung des Beklagten liegt schräg darunter im 6. Stock.

Der Kläger ist Nichtraucher und fühlt sich durch den Zigarrenrauch massiv beeinträchtigt. Er erwacht, wenn der Rauch durch das geöffnete Fenster oder die geöffnete Balkontüre in seine Wohnung, insbesondere in das Schlafzimmer eindringt. Auch wenn er daraufhin unverzüglich das Fenster schließt, bleibt der Zigarrenrauch über einen längeren, nicht exakt feststellbaren Zeitraum in der Wohnung wahrnehmbar.

Der Beklagte ist Autor und arbeitet in seiner Wohnung. Er raucht täglich ein bis zwei Zigarren, wobei er für eine Zigarre 40 bis 45 Minuten benötigt. Eine Zigarre raucht er regelmäßig in der Nacht nach Beendigung seiner Arbeit, in der Regel zwischen Mitternacht und 2:00 Uhr früh. Der Beklagte raucht im Winter und bei Schlechtwetter bei geschlossenem Fenster und lüftet danach, im Sommer raucht er bei geöffnetem Fenster oder auf der Terrasse.

Urteil des OGH:

Die beklagte Partei ist schuldig, die von ihrer Wohnung ausgehenden Rauch- und Geruchsimmissionen auf die Wohnung der klagenden Partei, die durch das Rauchen von Zigarren bei offenem Fenster, auf der Terrasse oder bei Lüftung ins Freie entstehen, in folgenden Zeiträumen zu unterlassen. (Anm.d.Red.: Die nun vom OGH genannten Zeiträume sind eine Einzelfallentscheidung und brauchen hier nicht wiederholt werden.) (…)

Das zeitliche Zusammentreffen des Zigarrenkonsums mit der Terrassennutzung und/oder dem Offenhalten von Terrassentür und/oder Fenster durch den Kläger. So wie der Beklagte für sich grundsätzlich zu Recht in Anspruch nimmt, seine Wohnung im Rahmen des Mietvertrags nach seinen persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen nutzen zu können, trifft dies ebenso auf den Kläger zu. Allerdings führen nur die Gewohnheiten des Beklagten zu einer ortsunüblichen wesentlichen Störung des Nachbarn, nicht aber umgekehrt. Unter diesen Vorzeichen gilt es im Sinne des oben Gesagten, einen angemessenen Interessenausgleich zu schaffen.

Für den Zeitraum von 22:00 bis 6:00 Uhr muss daher eine Abwägung zwischen dem Bedürfnis des Klägers, in seiner Nachtruhe nicht gestört zu werden, und dem Bedürfnis des Beklagten, seinen Arbeitstag mit einer nächtlich konsumierten Zigarre zu beenden, zugunsten des Klägers ausfallen. Die Möglichkeit, in seiner hof- bzw. gartenseitig ausgerichteten Wohnung bei geöffnetem Fenster schlafen zu können, darf durch den Zigarrengeruch nicht eingeschränkt werden.

Nichts anderes folgt im Übrigen ­aus der Wertung des TNRSG (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz): Sollen Nichtraucher schon in öffentlichen Räumen, Gaststätten etc. geschützt werden, so ist ihnen dieser Schutz umso mehr in ihrer Wohnung zu gewähren.

Die Erwirkung eines zeitlich unbeschränkten Rauchverbots gegenüber dem Beklagten kommt tagsüber wegen des auch vom Kläger zu beachtenden nachbarrechtlichen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme nicht in Betracht. Das auf zeitlich unbeschränkte Unterlassung gerichtete Hauptmehrbegehren wird abgewiesen.

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Soweit dieses bahnbrechende Urteil des OGH zum Schutz vor Passivrauchen gegenüber rauchenden Nachbarn. Leider wird dieses Urteil von Leidtragenden immer noch nicht in Anspruch genommen. Lieber leiden statt klagen? Warum sich die Wohnqualität durch uneinsichtige Raucher vermiesen lassen? Nochmals: Rauchfreie Stunden JA, gänzliches Rauchverbot derzeit leider NEIN!

Robert Rockenbauer

Unterschied zwischen Zigarre und Zigarette

Klagt ein Nichtraucher einen rauchenden Nachbarn, wenden die Anwälte der rauchenden Partei gerne ein, dass es damals beim OGH-Urteil in Wien um Zigarren ging und das sei ja viel schädlicher.

Sie argumentieren so als ob es sich beim Zigarettenrauch um eine völlig andere Voraussetzung handeln würde. Das ist eindeutig falsch. Der Killer unter den Rauchwaren ist eindeutig die Zigarette.

Alle wissenschaftlichen Informationen, die mir vorliegen bzw. auf seriösen Webseiten zu finden sind, sagen aus, dass der Rauch von Zigarren für den Zigarrenraucher weniger schädlich sein kann als der Rauch von Zigaretten. Das liegt einfach daran, dass der Zigarrenrauch in der Regel nicht wie Zigarettenrauch inhaliert (also in die Lunge eingeatmet) wird, sondern vom Körper hauptsächlich über die Schleimhäute des Mund-, Nasen und Rachenraums aufgenommen wird.

Mir sind keine Untersuchungen bekannt, wonach Zigarrenrauch für Passivraucher weniger schädlich sein soll als Zigarettenrauch. Wenn überhaupt, dann ist der Unterschied gering, da bei beiden Produkten Tabak verbrannt wird und bei Zigaretten auch noch das Papier. Die wesentlichen Schadstoffe entstehen beim unvollständigen Verbrennungsprozess. Zigarren (ver)glimmen ebenso wie Zigaretten.

Die Behauptung, dass Zigarrenrauch für Passivraucher gesundheitlich belastender sei als Zigarettenrauch, müsste also erst einmal bewiesen bzw. belegt werden. Das ist meines Wissens noch nicht geschehen. Für Nichtraucher ist beides unerträglich. Bei Uneinsichtigkeit hilft nur die Klage!

Robert Rockenbauer
Bundesleiter der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher
nichtraucherschutz@aon.at
www.nichtraucherverein.at
Telefon 0664 9302 958