Nachbarschaftsstreitigkeiten können sehr vielseitig sein: Lärm, Geruch usw. Können sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen, muss die Partei, die sich im Recht meint, eine Klage einbringen. Mit einer Rechtsschutzversicherung ist das wesentlich leichter. Oft fragt die Versicherung nach, seit wann das Problem besteht. Besteht das Problem schon länger, dann könnte die Versicherung fragen, warum erst jetzt eine Klage beabsichtigt wird. Dafür gibt es vielfältige Begründungen: Eine wäre, dass Sie früher nicht so oft zuhause waren, oder dass Sie jetzt gesundheitliche Probleme haben und den Rauch nicht mehr ertragen …..
Ein Mitglied unseres Vereines hat sich im August 2022 wegen stark rauchender Nachbarn an uns um Hilfe gewandt. Wir empfehlen dann immer, den Musterbrief mit den Raucherzeiten eingeschrieben an die rauchende Partei zu senden. Erfolgt innerhalb von 14 Tagen keine positive Rückmeldung, werde man über einen Rechtsanwalt eine Klagsschrift beim Bezirksgericht einreichen. (Siehe „Was tun gegen rauchende Nachbarn. Teil I)
Unser Mitglied schrieb u.a.:
„Das regelmäßige tägliche Rauchen von Ihnen und Ihrer Frau direkt unter meinem Balkon stellt für mich eine zunehmend große gesundheitliche Beeinträchtigung und eine unzumutbare Belästigung dar. Dieser Zustand ist für mich nicht mehr länger akzeptierbar.
Der gesundheitsschädliche Tabakrauch strömt, wie Sie sicher wissen, thermischen Regeln zufolge, immer von unten nach oben, d.h. ich muss meinen Aufenthalt auf dem Balkon und das Lüften meiner Wohnung von Ihren nicht planbaren Rauchzeiten abhängig machen. Auch das Öffnen der Balkontüre und das Kippen der westlichen Fenster ist aufgrund des aufsteigenden Rauches für mich nicht möglich.
Für das Zusammenleben der Menschen gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und das bezieht sich seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 16. Nov. 2016 (Aktenzeichen 2 Ob 1/16k) auch auf das Rauchen auf der Terrasse oder dem Balkon von Mehrparteienhäusern.
Jeder Hausbewohner hat das Recht, seine Freiräume störungsfrei zu benutzen und es ist wirklich nicht akzeptabel, dass ich meinen Aufenthalt auf dem Balkon täglich von Ihren Rauchgewohnheiten abhängig machen muss. Genauso wie Sie möchte auch ich meinen Freiraum ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ungestört genießen.
Entsprechend der Judikatur des OGH ist eine tägliche, gerechte und faire Aufteilung der Rauchzeiten bzw. der rauchfreien Zeiten zu jeweils 50 Prozent unumgänglich. (…)
Das bestehende Problem löst sich auf keinen Fall von selbst, indem Sie meine Anfrage einfach ignorieren. Ich darf Sie bitten, mir in den nächsten 14 Tagen Ihre geschätzte Antwort zukommen zu lassen und mir mitzuteilen, ob Sie mit dieser beigelegten Aufteilung der Raucherzeiten und rauchfreien Zeiten in der wärmeren Jahreszeit (März bis Oktober) und kälteren Jahreszeit (November bis Februar) eines jeden Jahres einverstanden sind.
Falls mein Schreiben unbeantwortet bleiben sollte, gehe ich davon aus, dass Sie eine kostenpflichtige Regelung durch das Gericht bevorzugen.“
Keine Reaktion.
Erst im Oktober 2022 kam es zu einem Gespräch, das nur der Hinhaltetaktik des Rauchers diente.
Es folgten insgesamt acht Briefe, jedoch ohne Erfolg. Eine außergerichtliche Einigung war nicht mehr möglich und so kam es zu einer Klage beim Bezirksgericht.
Gerichtsentscheidung
Die Richterin war von Anfang an bemüht, einen Vergleich betreffend der Rauchzeiten zu erzielen. Dabei hat sie die Interessen der Nichtraucherin genauso wie die Interessen der Raucherfamilie berücksichtigt. Mit beiden Anwälten hat die Richterin um Zeiten gerungen, mit denen beide Parteien sich letztlich einverstanden erklärten. Das Besondere daran: Die ausverhandelten Zeiten gelten nun ganzjährig! Um dem Raucher und seine rauchende Ehegattin den Kompromiss zu ermöglichen, griff die Richterin sogar in die Nachtzeiten von 22 – 6 Uhr ein. Erlaubt ist, womit beide Parteien einverstanden sind!
Unser Mitglied ist nun glücklich, acht gesicherte Tagesstunden und 6 1/2 Nachtstunden (= 14 1/2 Stunden) zu haben, wo sie den Balkon benützen und Fenster öffnen kann. Ein Jahr habe ich unser Mitglied moralisch und fachlich betreut und ihren Anwalt mit guten Argumenten versorgt, damit das Gericht unsere Sicht für rauchfreie Stunden zum Recht verhelfen konnte.
Die geschlossene Vereinbarung ist ein großer Sieg!
Denn erstmals wurden andere Zeiten wie beim OGH-Urteil vom 16.11.2016 festgelegt. Der Raucher darf noch von 21:30 bis 22:30 Uhr und bereits ab 5:00 Uhr rauchen, da er bereits ab 6 Uhr außer Haus geht. Der Raucher bekommt 9 1/2 Rauchstunden (8 Tagesstunden + 1 1/2 Std. von der Nachtzeit). Sollten die rauchfreien Zeiten nicht eingehalten werden, sehen wir uns vor Gericht wieder, sagte die Richterin. Das war wohl deutlich genug. Es ist zu erwarten, dass die vereinbarten Zeiten von der stark rauchenden Familie auch tatsächlich eingehalten werden.
Achtung!
So wie die Zeiten im OGH-Urteil nur eine Einzelfallentscheidung war, so sind auch in diesem Fall die ausverhandelten Zeiten nur eine Einzelfallentscheidung! Bei Gericht müssen übrigens immer die Raucherzeiten genannt werden.
Was sagt uns dieses Beispiel?
Man muss sich trauen, einen Anwalt zu betrauen, Klage gegen rauchende Nachbarn zu führen. Leider sind viele Anwälte mit der Nichtraucherschutzmaterie nicht so betraut wie wir. Deshalb wäre es sehr hilfreich, wenn Sie uns bei Klage vor Gericht in den Prozess einbeziehen. Das geschieht, indem Sie uns die Schriftsätze der Anwälte übermitteln. Raucheranwälte haben grundsätzlich schlechtere Karten, deshalb sind ihre Argumente oft kurios und leicht zu entkräften. Z.B. kommen Argumente aus den 80er-Jahren, oder die Zigarre (OGH-Wien) sei schädlicher als Zigaretten, oder der Rauch könne gar nicht in die obere Wohnung eindringen, da der Föhn diesen sofort verbläst usw. Die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens muss heute nicht mehr bewiesen werden, sie ist eine allgemein anerkannte Tatsache.
Das Problem kann auch bei Ihrem Anwalt liegen, der nicht mutig genug ist, für Ihre rauchfreien Zeiten zu kämpfen. Ich habe schon erlebt, dass Anwälte von einer Klage abraten, weil die nichtrauchende Partei keine Zeugen namhaft machen könne. Es würde ein langes Verfahren mit Geruchsgutachten usw. folgen, dessen Ausgang man nicht kenne und letztlich auf den Kosten sitzen bleiben könnte. So ein Unsinn! Suchen Sie einen neuen Anwalt. Unter Umständen müssen Sie Ihren Anwalt mit unseren Argumenten beim Denken helfen.
Wann kommt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zur Anwendung?
Bei Beeinträchtigungen durch Tabakrauch führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme – wenn eine Verständigung der Parteien untereinander nicht möglich ist – im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter/Eigentümer an einer Nutzung ihrer Balkone oder Terrassen interessiert sind. Dem Mieter/Eigentümer sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon/Terrasse unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter/ Eigentümer Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon/Terrasse rauchen darf.
Nicht alle Anwälte wissen um das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das muss sich erst noch einspielen. Dass die Richterin beim Bezirksgericht im obigen Fall dies getan hat, ist sehr ermutigend. Raucher sind daher gut beraten, außergerichtliche Vereinbarungen mit Nichtrauchern zu schließen, denn über Gericht kommen diese ohnehin zu ihrem Recht. Was bleibt sind Anwalts- und Gerichtskosten für Uneinsichtige.
Was illusorisch ist!
Manche Nichtraucher glauben immer noch, dass sie ein Recht auf völlige Rauchfreiheit haben. NEIN! Eine Wohnung ist kein öffentlicher Raum, daher werden Sie bei der derzeitigen Lage niemals ein absolutes Rauchverbot einfordern können. Vielleicht dann, wenn der Raucheranteil in der Bevölkerung unter 5 Prozent sinkt. Dann wäre es vorstellbar, dass Wohnbaugesellschaften Häuserblocks nur für Nichtraucher errichten und einige wenige für Raucher. Diese paradiesischen Zustände haben wir noch nicht, weil viel zu viele Nichtraucher dem Problem des Passivrauchens gleichgültig gegenüberstehen. Erst durch unsere Öffentlichkeitsarbeit kam es zu einer Bewusstseinsstärkung der Nichtraucher. Die Konsequenz daraus: Rauchfreie Arbeitsplätze, rauchfreie Gastronomie, rauchfreie Fluglinien, Züge und Busse usw. Die nächste Etappe sind zweifelsfrei rauchfreie Häuser und Wohnungen, wo dann Raucher auf die Straße gehen müssen, um Rauchen zu können.
Viele Nichtraucher wären schon jetzt froh, wenn sie die Hälfte der Tageszeit (= 8 Stunden und 8 Stunden in der Nacht von 22 – 6 Uhr) rauchfrei ihre Wohnung benützen könnten. Sie müssen aber dem Raucher ebenfalls 8 Stunden am Tag einräumen, wo dieser seiner Sucht nachgehen kann.
Es sind die Zeiten jedenfalls den Bedürfnissen der nichtrauchenden Partei anzupassen und nicht umgekehrt. Einschränkungen muss der akzeptieren, der durch sein Verhalten andere Menschen schädigt und das ist immer noch der Raucher.
Weiters ist es illusorisch zu hoffen, dass dieses Recht auf gegenseitige Rücksichtnahme im Gesetz verankert wird und man sich den Weg über den Rechtsanwalt sparen kann. Auch die Hausordnung ist dafür nicht zuständig. Jeder Fall muss eigens behandelt werden. Es braucht daher noch viele mutige Nichtraucher, die sich nicht scheuen, ihr Recht auf rauchfreie Stunden einzuklagen!
Also liebe Nichtraucher! Warum wollt ihr euch weiterhin die Lebensqualität von Rauchern rauben lassen? Wehrt euch, indem ihr die Raucher auffordert, das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme anzuwenden. Bei der Zeitvereinbarung müssen 50 Prozent der Zeit rauchfreie Stunden sein. Zählt man die Nachtruhe von 22 – 6 Uhr (8 Stunden) ab, verbleiben 16 Tagesstunden, also höchstens 8 Raucherstunden. Wenn Raucher auf dem Standpunkt stehen, sich das Rauchen von niemanden verbieten zu lassen, dann hilft nur eine Unterlassungsklage.
Meine angeführten Zeiten sind so nah wie möglich an die OGH-Zeiten angeglichen und nur als Beispiel gedacht. Sie sollten so weit wie möglich dem Einzelfall (z.B. ganztägige Anwesenheit, berufliche Abwesenheit, nächtliches Arbeiten, Kinder, Wochenendnutzung, Urlaub, Krankheit usw.) angepasst werden. Senatspräsident Dr. Karl-Heinz Danzl sieht das OGH-Urteil vom 16.11.2016 als „Einzelfallentscheidung“. Obwohl von jedem OGH-Spruch eine generalisierende Wirkung ausgeht, können Regelungen andernorts ganz anders ausfallen.
Erlaubt ist, worauf sich beide Parteien einigen können. Auch die Nachtruhezeit kann individuell abgeändert werden, wenn beide Parteien damit einverstanden sind.
Robert Rockenbauer
Bundesleiter der Österreichischen Schutzgemeinschaft für Nichtraucher
nichtraucherschutz@aon.at
www.nichtraucherverein.at
Telefon 0664 9302 958